
Was Kreuzworträtsel und Projektanfänge gemeinsam haben
Die eine Lösung gibt es bei kreativen Projekten nicht, gab es noch nie und wird es auch nicht geben. Denn das echte Leben ist kein Wordle, kein Sudoku und auch kein Kreuzworträtsel. Rätsel sind Eskapismus für jeden Tag. Man setzt sich vor den Bildschirm oder das bedruckte Blatt Papier aka Zeitung und hat eine klare Aufgabe zu lösen. Egal, in welche Rätselwelt man eintaucht: Es gibt klare Regeln und vor allem: einen klaren Ausgang.
In diesem Paralleluniversum, in dem es für eine Aufgabenstellung nur eine einzige Lösung gibt, kann alles zwar sehr komplex sein, ist aber gleichzeitig ganz einfach, weil es sich zuspitzt und dann in einem kleinen Kombinationsfeuerwerk seinen Klimax findet. Im Fall vom NYT-Mini, dem täglichen Minikreuzworträtsel der New York Times, ist das ein kurzer Jazz-Jingle. In etwa so lange hält auch die Freude an, denn nachdem ein Rätsel fertig ist, macht es keinen Spaß mehr. Es ist beendet. Beim Rätsel ist der Weg das Ziel.
Projektanfang rätselhaft
Ja, ich bin Rätselfan. Und weil ich mich in meiner Freizeit viel damit beschäftige, merke ich, wie sehr mich auch Projektanfänge an Rätsel erinnern. Allerdings weniger an Kreuzwort oder Sudoku. Denn in einem Projekt gibt es zwar Parameter, auf die man sich nach und nach einigt, aber noch keine klaren Regeln. Die ergeben sich beim Tun. Für jedes Projekt wird ein neuer Frame, ein neuer Rahmen erstellt. Und der ist auch nicht gegeben, sondern ein Prototyp. In der Entwicklung des Systems wird er immer wieder aufs Neue getestet. Mit jedem Durchgang wird überprüft, ob die Idee auch wirklich allen Anforderungen standhält. Denn eine Marke ist immer eine Welt mit eigenen Regeln, die nicht nur mit sich selbst harmonieren und funktionieren müssen, sondern auch und vor allem ins Außen strahlen.
Einen neuen Mikrokosmos schaffen
Funktioniert das, auf das wir uns geeinigt haben, digital und analog? Harmoniert Design mit Text und Bild? Brauchen wir noch Illustrationen? Und wie schaut es eigentlich mit dem Social Media Auftritt, den Fahnen und den guten alten Visitenkarten aus? Ein System gefunden zu haben, kann irrsinnig befriedigend sein. Doch dreht sich die Medaille, ist es sehr zermürbend, wenn man es doch gehen lassen muss. Das Kartenhaus, das man so mühevoll über Stunden, Tage, Wochen und Monate aufgebaut hat und das das Potenzial hatte, eine starke Marke zu werden, besteht den Übersetzungstest nicht. Wieder ab zum weißen Blatt Papier. Tabula Rasa. Ein Neustart steht an.
Für mich das schönste aller Rätsel
Doch es hat auch was Gutes, wieder auf Null gestellt zu sein. Der Prozess beginnt von Neuem. Eine Variante konnte ausgeschlossen werden. Man befindet sich wieder im Rätselmodus, in dem man auf die Lösung stoßen möchte. Damit man das schafft, ist man in einer Art Tunnel, den man im besten Fall als Flow-Zustand bezeichnet. Das Non-Plus-Ultra im Kreativbereich. Und wenn man es dann einmal gelöst hat und einer Marke beim Entstehen zusehen kann, dann hält die Freude auch länger an, denn im Gegensatz zum Rätsel ist der Aufbau einer Marke nie wirklich zu Ende.
Spezialtipp fürs Herz: Wenn man die Menschen hinter den Rätseln kennenlernen möchte, die Drahtzieher hinter Strings, die Wortkünstler hinter dem „Mini“ und ihnen dabei zusehen möchte wie sie sich gegenseitig (gerechtfertigt!) feiern, dann ist man auf @nytgames am richtigen Ort.
Foto von Ross Sneddon auf Unsplash